Moderner und barrierefreier ÖPNV in Gera abgesagt

Pressemitteilung vom 05.06.2020

Mit der gestrigen Stadtratssitzung fand die monatelang währende Debatte um die Beschaffung neuer Straßenbahnen ein alles andere als zufriedenstellendes Ende. Mit 25 Ja-Stimmen entschied die Mehrheit aus AfD, CDU, Bürgerschaft und Für Gera mit einem gemeinsamen Antrag, dass die GVB lediglich sechs Bahnen beschaffen darf. Über den Alternativantrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, DIE LINKE und SPD zum Kauf von zwölf Bahnen und einer nachhaltig besseren Finanzausstattung der GVB wurde nicht ab-gestimmt.

“Mit diesem Beschluss wird ein zeitgemäßer, barrierefreier und komfortabler ÖPNV für alle in Gera auf viele Jahre verschoben“ so Nils Fröhlich, Fraktionsvorsitzender der Geraer Bündnisgrünen und Aufsichtsratsvorsitzender der GVB. „Mit nur 6 Bahnen werden weiterhin Menschen mit Behinderungen, Eltern mit Kinderwagen und ältere Menschen mit Rollatoren an den Haltestellen zurückbleiben müssen, weil ihnen der Zugang zu den alten Tatra-Tahnen verwehrt ist“, so Fröhlich weiter. Das Ziel vollständiger Barrierefreiheit im öffentlichen Personennahverkehr, wie es in § 8 Absatz 3 des Personenbeförderungsgesetzes bis 2022 gefordert ist, werde damit in Gera auf lange Sicht unerreicht bleiben.

„Über Monate hinweg haben wir gemeinsam mit Kollegen aus den Fraktionen von SPD, DIE LINKE und Die Liberalen versucht, dem Block der bürgerlichen und rechten Fraktionen die dramatischen Auswirkungen des nun getroffenen Beschlusses zu verdeutlichen. Denn die Anschaffung von weniger als zwölf Bahnen wird extrem teuer. Bei einer kleineren Bestellung steigt der Stückpreis deutlich. Zudem wird der nun notwendige Weiterbetrieb von 15 alten Tatra-Bahnen in den nächsten Jahren viele Millionen für unerlässliche Instandhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen verschlingen“, gibt Fröhlich zu bedenken.

Er setze seine Hoffnung nun auf das Landesverwaltungsamt, das bereits signalisiert hatte, den Beschluss vor allem wegen des Fehlens einer Wirtschaftlichkeitsbetrachtung zu beanstanden. „Ein umfassender Vergleich der Kosten für 12 neue Bahnen gegenüber 6 Bahnen und dem Weiterbetrieb der Tatras sowie die Abwägung verschiedener Finanzierungsvarianten ist unbedingt notwendig. Die Vorlage einer Wirtschaftlichkeitsbetrachtung hätte hier für Klarheit gesorgt. Sie soll genau diese Art von Fehlentscheidungen verhindern und den sorgsamen Umgang mit Steuergeldern sicherstellen.“

Mit dem ebenfalls beschlossenen Zuschuss sei die GVB zudem nicht einmal hinreichend finanziell ausgestattet worden, um die Investition überhaupt stemmen zu können. „Das Darlehen für den Eigenanteil bei der Finanzierung der 6 Bahnen wird die GVB nur abbezahlen können, wenn sie die eingeplanten Mittel für alle künftigen Investitionen in die Infrastruktur, wie den Weiterbau der Wiesestraße oder Gleisreparaturen in Lusan, streicht. Die Mehrheit für den Beschluss von gestern wird zudem die völlig ungeklärte Frage beantworten müssen, wo die Millionenbeträge für den Weiterbetrieb der Tatra-Bahnen überhaupt herkommen sollen. Weil die Bahnen aber fahren müssen, werden am Ende die Steuerzahler diese Fehlentscheidung bezahlen müssen, ohne jedoch eine ordentliche Gegenleistung dafür zu bekommen“, so Fröhlich abschließend.

Hintergrund: Die Verkehrsplaner der Stadt Gera, der GVB und des TÜV Rheinland haben alle berechnet, dass 10 neue Bahnen plus Reserve benötigt werden, um zeitgemäß, bedarfsgerecht und im Einklang mit der gesetzlich geforderten Barrierefreiheit den öffentlichen Personennahverkehr als Pflichtaufgabe im Rahmen der Daseinsvorsorge zu erbringen.


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