Nach dem Hochwasser ist vor dem Hochwasser … 21. Juni 201322. März 2022 Darf man, jetzt wo es vorbei ist, noch vom Hochwasser reden? Man darf nicht nur – man muss. Unser junges Jahrhundert hat schon zwei Jahrhunderthochwasser gesehen – wir müssen uns darauf einstellen, dass es nicht das letzte war, das nächste wird eher früher als später kommen. Vor allem aber muss gehandelt werden. Nun ist die Weiße Elster glücklicherweise ein noch vergleichsweise kleiner Fluss, trotzdem kann sie enormen Schaden anrichten. Technischer Hochwasserschutz, also Dämme, Wehre oder Polder, sind eine Möglichkeit. Eine wichtigere, zugleich jedoch auch schwierigere Maßnahme ist es aber, den Flüssen, hier in Gera der Weißen Elster und ihren Nebenflüsschen und Bächen, mehr Raum zu geben. Natürlich ist das im Landkreis einfacher als in einer dicht bebauten Stadt, trotzdem muss auch in Gera darüber nachgedacht werden, wie mit den regelmäßigen Hochwässern umgegangen werden kann. Wo kann man der Elster mehr Raum geben? Wo muss mit technischem Hochwasserschutz geholfen werden? Die Weiße Elster ist geprägt durch vergleichsweise geringes Gefälle und vergleichsweise große Sedimentfracht aus dem Gebirge. Ihr Tal ist daher sehr fruchtbar und wird seit Jahrhunderten intensiv landwirtschaftlich genutzt. In den letzten zweihundert Jahren erfuhr die Weiße Elster sehr große Veränderungen, sie wurde begradigt, vertieft, kanalisiert und eingedeicht. Dies erhöhte vor allem die Fließgeschwindigkeit und damit die Hochwassergefahr. Damit müssen wir uns heute auseinandersetzen. Klar ist, die Elster wird nicht wieder der urtümliche mäandernde Fluss werden. Es braucht ein abgestimmtes System des Hochwasserschutzes, das Belange des Naturschutzes mit denen der Anwohnenden und der Landnutzenden verbindet. Dabei sollte und kann allerdings auch vor unpopulären Massnahmen nicht zurückgeschreckt werden. Warum sollte bspw. nicht das Wasser Vorrang vor der Landwirtschaft haben? Den (fruchtbaren) Acker in der Flussaue zu bebauen galt immer auch schon als ein Risiko. Es gilt daher, den Vorrang des Wassers festzuschreiben, so bitter das für den Bauer oder die Landwirtin im Einzelfall sein mag. Offensichtlich haben auch die Verantwortlichen in den Behörden aus der letzten Jahrhundertflut, kaum ein paar Jahre her, viel zu wenig gelernt. Dabei drängt die Zeit. Insbesondere scheint das für Gera zuzutreffen: Hier scheint die Stadtverwaltung die drohende Flut der Elster völlig verschlafen zu haben. Erst Stunden nach der Ausrufung des Katastrophenfalles in Greiz wurde auch hier der Katastrophenfall ausgerufen: Stunden zu spät, da war die Flut längst da. Mögliche Hochwassermaßnahmen, wie die Schließung von Toren an Hochwasserwänden wurden so – durch das mangelhafte Management der Oberbürgermeisterin – verschenkt. So richtete das Hochwasser weitere, womöglich verhinderbare Schäden an. Wie kann man da als Abgeordnete abseits stehen? Ich finde, die Frage ist die falsche: Wem ist mit dem Hochwasser-Tourismus geholfen? Ja: Ich bin nicht mit Gummistiefeln durch Debschwitz oder Untermhaus gelaufen, um den Leuten dort warme Worte zu spenden. Allerdings habe ich die Lage über mein Büro in der Heinrichstraße beobachtet. Dort war der Keller übrigens auch feucht. So habe ich beobachten können, wie NachbarInnen zusammenrückten. Wie der eine der anderen half, den Keller auszuräumen. Oder nur einen Kaffee zu kochen. Das funktionierende Zusammenrücken der Leute in der Not, die Hilfe unter NachbarInnen, war und ist das wirklich (einzig) positive an einer solchen Naturkatastrophe. Dafür hätte sich gewiss auch ein längerer Rundgang in Gera gelohnt. So gilt mein Dank allen professionellen Hilfskräften, allen, die mit anpackten, obwohl es sie gar nicht betraf und allen NachbarInnen, die trotz eigener Betroffenheit, dem Nachbarn, den es vielleicht noch schlimmer erwischt hatte, unkompliziert und kraftvoll geholfen haben. Vielen Dank. Es braucht nun rasche, gemeinsame, vor allem wirkungsvolle Maßnahmen auf vielen Ebenen, damit ein nächstes Hochwasser nicht wieder ein nächstes Jahrhunderthochwasser wird. Es grüßt Sie Ihre Astrid Rothe-Beinlich